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Marken als neuronale Netzwerke – oder, warum Marken doch eine Rolle spielen

Stefanie Püschel
Stefanie Püschel Aktualisiert am 17. Aug. 2020

Wir speichern Erlebnisse als neuronale Netzwerke ab („cell assemblies“). Ein solches Netzwerk besteht aus vielen, mit einander verbundenen Nervenzellen (Neuronen). Das sogenannte neuronale Netzwerke kennen wir auch unter dem Begriff Muster oder Schema – als komplexes, gebündeltes Wissen:

  • Das Alpenschema/Bergwelt besteht aus frischer Höhenluft, den Klängen von Kuhglocken, dem Geruch des Waldes, dem Tastgefühl, wenn wir eine Blume pflücken.
  • Das Tropenschema ist verbunden mit heißer Luft, Palmen, weißem Sand, Wellengeräuschen, Kokosgeschmack.

«Multisensorische Holistik»

Auch wenn es um unsere Marke geht, reagiert das multisensorische Netzwerk mit allen Sinneseindrücken («Multisensorische Holistik») durch:

  • Sehen: Bilder, Inszenierungen etc.
  • Hören: Marken-Akustik-Logo, Musik, Geräusche wie das der zuklappenden BMW-Tür, Sprache
  • Riechen: Leder, Blumen, Essen
  • Tasten: Oberflächen, Böden, Wind
  • Schmecken: Heiß, Kalt, Scharf, Mild, Pikant

Das Prinzip der Holistik

Ein Sinn kann andere Sinneseindrücke aktivieren. Begründen lässt sich das mit dem Prinzip der Holistik: Sinneseindrücke speichern wir ganzheitlich im sensorischem Netzwerk. Die Aktivierung eines Sinnenreizes reicht, um das gesamte Netzwerk zu stimulieren und die kompletten multisensorischen Erinnerungen abzurufen.

Beispiel: Beim Anblick eines Apfels wissen wir, wie dieser schmeckt, wie er riecht, wie er sich anfühlt. Wir kennen das Geräusch beim Hineinbeißen.

Wenn jemand fällt, fühlen wir für Sekunden auch Schmerz, da unser Gehirn das Schmerzzentrum aktiviert. So als ob wir es selbst erleben würden. Wenn jemand lacht, amüsieren wir uns bereits, bevor er überhaupt angefangen hat, den Witz zu erzählen. Dabei nutzt das Gehirn die visuellen Signale und verarbeitet sie, sodass ein Bild von unserer Wirklichkeit entsteht. Durch die Spiegelneuronen empfinden wir also nach, was wir beobachten. Somit sind die neuronalen Netzwerke im Hirn auch dann aktiv, wenn wir eine Aktivität nicht selbst ausführen, sondern lediglich jemanden dabei beobachten, wie er diese Handlung ausübt. Die Spiegelneuronen simulieren dem Körper, dass er das Beobachtete selbst tut. Das bedeutet: Wir empfinden und erfahren, was ein anderer erfährt. 

«Multisensory Enhancement»

Sprechen wir alle fünf Sinne mit unserer digitalen Marke an, wirkt dies vielfach stärker als die Summe der einzelnen Sinne. Unser Gehirn reagiert wesentlich stärker auf einen zugleich gesehenen, gehörten, gefühlten, gerochenen und geschmeckten Reiz als auf die jeweiligen Reize allein.

Wichtig: Spricht unsere Marke alle fünf Sinne an, verstärkt sich die Wirkung auf das 10-fache. Experten nennen dies «Multisensory Enhancement» oder auch «Explosion der Sinne».

Fazit

Multisensorische Markenführung in digitalen Medien ist keine Zukunftsmusik – sie findet bereits statt! Der User kann über mentale Modelle – beziehungsweise Schemata – Erinnerungen abrufen, indem er andere Menschen oder Objekte sieht. Sehen ist auch riechen, schmecken, tasten, hören. Dieser Blick eröffnet eine neue Dimension.

Die größte Bedeutung hierbei hat die Stimmigkeit der sinnlichen Gestaltung. Leiten wir Reize aus dem Belohnungsversprechen der Marke ab, kann multisensorische Markenführung nachhaltige Wirkung beim User ausüben – unabhängig von Endgerät, Plattform und Dienst. Die Marke sollte stimmige, widerspruchsfreie Signale senden. Denn sollten die Sinnenreize nicht aufeinander abgestimmt sein oder sich sogar negativ beeinflussen, kann dies die Marke schädigen.

Vielen Dank an Professor Herbst und Thomas Heinrich Musiolik
für das Interview.

Stefanie Püschel
Stefanie Püschel
Content-Strategin