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WeChat und Alexa warten nicht auf uns. Verschlafen wir den Conversational Commerce?

Oliver Pretz
Oliver Pretz Aktualisiert am 17. Aug. 2020
Conversational Commerce

Die Macht der Customer Convenience

Wir haben schon lange gelernt, uns in den Kunden hineinzuversetzen. An Stelle des alten Marketer-Spruchs „Always Walk in Customers Shoes“ hat sich in den Konzepten zur Digitalisierung unserer Produkte und Services der Begriff „Customer Centricity“ etabliert. Schnell erkennen wir mit dieser Betrachtungsweise die hohen Erwartungen des Kunden. Der mobile Nutzer ist es gewohnt, immer und überall sofort die gewünschten Informationen zu einem Produkt oder einer Dienstleistung zu erhalten. Im Idealfall bestellt er auch gleich online – und ärgert sich fürchterlich, wenn etwas, aus welchen Gründen auch immer, nicht auf Anhieb einwandfrei funktioniert.

Wir sind es als Kunden gewohnt, von Anbietern sogar komplexeste Produkte und Services mundgerecht auf dem Silbertablett präsentiert zu bekommen. Das hat auf der Kehrseite eine gewisse „digitale Ungeduld“ hervorgerufen. „Sofortness“ nannte es Sascha Lobo am Digital Nudge Day von Unic am 12. Juni in Zürich als einen wesentlichen Baustein der Customer Convenience.

Warum Chatbots und Sprachassistenten boomen

Jene, die ihr Produkt am einfachsten zugänglich machen und am schnellsten liefern können, haben gewonnen. Die führenden E-Commerce Unternehmen sind sich der unglaublichen Macht der Customer Convenience als Differenzierungsmerkmal längst bewusst. Sie haben sich dem Kampf um die beste User Experience bereits gestellt: Mit der ausgeklügeltsten Customer Journey vom ersten Touch Point bis zum Kauf. Neben der zu Beginn erwähnten Omnipräsenz (immer und überall) liegt der Fokus auf der Reduktion der Komplexität im User Interface – also der Vereinfachung der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Genauer gesagt geht es darum, durch Simplifizierung des Front-End’s möglichst alle Entscheidungshürden für den User zu beseitigen. Eine hervorragende Usability hat Priorität, egal wie aufwendig sich das auf die Back-End Prozesse auswirken mag.

Chatbots bieten dem Benutzer diese Vereinfachung und Convenience. In gewohnter Messenger-Umgebung kann sich der Interessierte im Chat-Modus ein komplexes Produkt einfach konfigurieren. AI-Komponenten und integrierte Personalisierungs-Mechanismen ermöglichen eine erstaunlich flüssige Kommunikation, die dem User Entscheidungen verblüffend leicht machen können. So verwundert es nicht, dass Chatbots als digitale Berater bei erklärungsbedürftigen Produkten immer erfolgreicher zum Einsatz kommen. Neben die beschriebenen Convenience-Aspekte der Chat-Interaktion gesellt sich noch ein weiterer - mindestens ebenso wichtiger - Punkt:

Die Kunden lieben Messenger-Dienste! 

Der Facebook Messenger hat etwa 900 Millionen aktive Nutzer mit 60 Milliarden Messages pro Tag und das asiatische Pendant WeChat kommt mit seinen knapp 700 Millionen Usern nahe ran. Schon 2020 werden wir mehr über Chatbots kommunizieren als mit unserem Partner. Warum sollte man diesen unglaublich beliebten Kanal nicht für sein Geschäft nutzen? “We think you should be able to message a business in the same way you would message a friend“, meinte Mark Zuckerberg als er auf der Facebook Entwicklerkonferenz vor mehr als zwei Jahren die Idee vorstellte, den Messenger als Plattform für Shopping Apps einzusetzen.

Conversational Commerce, ein Riesen-Potenzial

In China ist WeChat unter anderem deshalb so erfolgreich, weil über den Messenger auch bezahlt werden kann. Es wird nicht mehr lange dauern, bis WhatsApp, Slack, Telegram und Co. mit standardisierten Payment-Services dem asiatischen Vorbild folgen werden. Laut Techradar befindet sich die Peer-to-Peer Zahlungsfunktion von WhatsApp bereits in der Betaphase. Sobald der Kunde direkt im Chat bezahlen kann ohne die App verlassen zu müssen, wird sich der Siegeszug des Conversational Commerce auch bei uns nicht mehr aufhalten lassen. Checkout-Prozesse in Echtzeit mit automatisierten Informationen zum Lieferstatus lassen klassische Shops alt und schwerfällig wirken. Gute Bots haben zudem das Potenzial, eine stärkere emotionale Verbindung aufzubauen. Denn sie sind in der Lage, den Kunden im gesamten Kaufprozess zu begleiten. Und das Ganze eben in der alltäglichen Chat App, ganz nahe an den privaten Unterhaltungen. 

Der Mensch ist faul und mag Annehmlichkeiten

Langsam freunden wir uns also mit der Einführung eines neuen Verkaufskanals auf WhatsApp an. Die Sprachassistenten gehen jedoch bereits einen Schritt weiter und beginnen immer mehr Anwendungsfälle der Chatbots abzulösen. Google Duplex, der momentan total gehypte Anrufassistent, veranschaulicht diese neuen Einsatzmöglichkeiten auf beeindruckende Weise. Der Mensch ist nunmal faul und gewöhnt sich gerne an Annehmlichkeiten: Über Alexa und Siri sind wir künftig in der Lage, noch mehr Emotionalität in unser Wohnzimmer zu bringen. Die Konsumenten werden sich bei vergleichbarem Angebot wohl eher für den Lieferanten mit der höheren Customer Convenience entscheiden.

Wir als Anbieter von innovativen E-Commerce Lösungen haben uns nicht nur inhaltlich, sondern auch technologisch auf den Conversational Commerce vorbereitet. Unsere Commerce Plattformen, wie beispielsweise Sylius, sind flexibel genug, um Chatbots von Drittanbietern oder Sprachassistenten zu integrieren. Jetzt heißt es dran bleiben und die Potenziale ausschöpfen. 

Oliver Pretz
Oliver Pretz
E-Business Strategist & Partner